Die Generation Y ist die prekäre Generation der Rentenreform. Nur 35 Prozent der Jugendlichen zwischen 17 und 27 Jahren sparen regelmäßig für ihre Altersversorgung.
- Mit Optimismus in die Zukunft
- Weniger Angst vor Altersarmut und gleichzeitig Zweifel an der privaten Vorsorge
- Generation Y spart weniger für das Alter. Zusätzliche Altersvorsorge nicht etabliert
- Betriebliche Altersversorgung wird beliebter
- Automatische Sparregeln gewünscht
- Die Politik muss jetzt die Weichen stellen
Die Politik muss jetzt handeln. Darin sind sich die Herausgeber der aktuellen MetallRente Studie „Jugend, Vorsorge, Finanzen“ einig, denn einer ganzen Generation droht Armut im Alter. Die Jugend hat zu wenig Vertrauen in die staatlich geförderten Modelle zusätzlicher Altersvorsorge, zu wenig Geld dafür oder beides. Das machen die Ergebnisse der Untersuchung deutlich. Zur Halbzeit der Rentenreform stellt die MetallRente Studie fest, dass deren Ziele bisher verfehlt wurden.
Für die Untersuchung hat TNS Infratest Sozialforschung 2.500 junge Leute im Alter zwischen 17 und 27 Jahren zu ihren Vorstellungen für die persönliche Zukunft und über ihre Einstellungen und Strategien zur Altersvorsorge befragt. In den beiden MetallRente Studien von 2010 und 2013 wurde bereits klar: Die Jungen sind zwar grundsätzlich bereit, für das Alter vorzusorgen, aber nur eine Minderheit verfolgt tatsächlich tragfähige Strategien. Mit der dritten repräsentativen Befragung sind nun konkrete Trendaussagen über einen Zeitraum von sechs Jahren möglich.
„Die Mehrzahl der jungen Leute ist optimistisch, wenn sie an ihre eigene Zukunft denkt“, so der Jugendforscher Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, der alle drei Untersuchungen geleitet hat. Die positiven Erwartungen gegenüber den letzten Studien hätten sich gesteigert. Auch die Entwicklung Deutschlands beurteile die junge Generation zunehmend positiv. „Aber“, betont Hurrelmann, „die Generation Y zweifelt immer mehr an der privaten Vorsorge. Nur 35 Prozent aller Jugendlichen sparen regelmäßig für ihre Altersversorgung. Dabei erstaunt der Realitätssinn der jungen Leute. Ihnen ist klar, dass die Vorsorge-Angebote und die jetzigen Rahmenbedingungen kein angemessenes Leben im Alter sichern“.
„Auch 15 Jahre nach der Rentenreform hat sich noch keine Kultur zusätzlicher Vorsorge in Deutschland entwickelt. Die Tendenz geht bei der jungen Generation sogar in die entgegengesetzte Richtung“ stellt Prof. Dr. Christian Traxler fest, Mitherausgeber der Studie und wie Prof. Dr. Hurrelmann Wissenschaftler an der Hertie School of Governance in Berlin.
Als „zutiefst besorgniserregend“ bezeichnet MetallRente-Geschäftsführer Heribert Karch die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung. Vor 15 Jahren sei die Renten-Reform mit dem Argument eingeführt worden, mehr Generationengerechtigkeit herzustellen. Das Ergebnis sei jedoch weniger Gerechtigkeit. Karch zeigt sich alarmiert: „Die junge Generation wird immer mehr zur prekären Generation der Rentenpolitik. Die Staatsausgaben für die Altersversorgung in Deutschland befinden sich gemeinsam mit Polen, Spanien und Slowenien am Rande des oberen Drittels aller OECD-Staaten. Dennoch liegen die Lohnersatzraten – also das Verhältnis der Rente zum vorherigen aktiven Einkommen – in der Bundesrepublik am unteren Ende dieser Länder! Statt Generationen-Gerechtigkeit haben wir Unsicherheit. Es muss endlich gegengesteuert werden“.
Die Studie erfragt erstmals auch Haltungen zu Wegen, die Jugendlichen einen wirksamen Stupser (Nudge) in Richtung von mehr Vorsorge geben können. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die junge Generation manche Nudges – z.B. Spar-Automatismen - mehrheitlich befürwortet.
Im zweiten Teil blickt die Studie über den deutschen Tellerrand hinaus. Europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen in ihren Beiträgen die Rentensysteme und Reformanstrengungen anderer Länder. Dabei wird deutlich: Nicht nur in Deutschland ist die
nachhaltige Alterssicherung in Gefahr ... aber erfolgreiche Reformen sind machbar!
Die Ergebnisse
Mit Optimismus in die Zukunft
2016 gehen 73 Prozent der jungen Leute von einer guten persönlichen Entwicklung aus („sehr gut“ 22 %). Damit steigerten sich die positiven Erwartungen gegenüber den letzten Studien. Auch die Entwicklung Deutschlands beurteilt die junge Generation zunehmend positiv: 48 Prozent schätzen sie aktuell als gut ein („sehr gut“ 5 %). 2010 lagen diese Zahlen noch bei 37 („gut“) und 1 Prozent („sehr gut“).
Nur noch 26 Prozent glauben „voll und ganz“ („eher“ 34 %), dass die Wirtschaft durch verschuldete Euro-Länder gefährdet ist. 2013 lagen diese Werte noch bei 34 bzw. 43 Prozent. Trotz Krise haben 22 Prozent „voll und ganz“ („eher“ 39 %) Vertrauen in den Euro. Auch diese Werte entwickelten sich im Vergleich zu 2013 positiv.
Weniger Angst vor Altersarmut und gleichzeitig Zweifel an der privaten Vorsorge
Das Sparverhalten der jungen Leute ist stabil. Allerdings haben sich die Gründe dafür verschoben. 54 Prozent sparen regelmäßig und 30 Prozent ab und zu (2010: 53 % / 31 %). Die jungen Sparer legen mit 64 % vermehrt Geld für eine Urlaubsreise zur Seite. (2010: 56 %). Auch die Bereitschaft, für Ausbildung und Studium zu sparen, ist höher (2016: 42 % / 2010: 39 %). Aber nur 35 Prozent aller Jugendlichen sparen regelmäßig für ihre Altersversorgung (2010: 38 %). 49 Prozent sparen überhaupt (regelmäßig oder ab und zu) für das Alter (2010: 55 %). Unter denen, die sparen, (16% sparen überhaupt nicht), sind es 58 Prozent (2010: 66 %).
Insbesondere Frauen orientieren sich auf andere Sparziele. Die Bereitschaft, für das Alter zu sparen ist bei ihnen deutlich gesunken (2016: 49 % / 2010: 57 %).
Die junge Generation will das Leben zunächst genießen und spart auch deswegen weniger für das Alter. So stieg der Anteil der jungen Sparer, die das „voll und ganz“ so sahen, von 45 Prozent im Jahr 2010 auf 50 Prozent im Jahr 2016. Die Gruppe, die „voll und ganz“ kein oder kaum Geld für die Altersvorsorge hat, verringerte sich dagegen (2016: 38 % / 2010: 42 %).
Diese Gegenwartsbezogenheit bewertet Hurrelmann als „absolut nachvollziehbar“. „Denn die jungen Leute entscheiden sich für Dinge, die ihnen aktuell von Nutzen sind und nicht für etwas, von dem sie nicht wissen, ob es ihnen später tatsächlich hilfreich sein wird“. Die Jugendlichen sparten aber nicht nur für den Konsum, sondern auch für Studium und Ausbildung. Ihnen sei klar, dass Bildung Vorteile am Arbeitsmarkt bringe und das Armutsrisiko senke.
Gleichzeitig sinkt bei jungen Frauen die Angst vor Altersarmut. So haben aktuell nur 34 Prozent der Frauen „voll und ganz“ („eher“ 27 %) Angst davor. 2010 lagen diese Werte noch bei 47 bzw. 24 Prozent. Nur 27 Prozent der jungen Männer teilen diese Angst „voll und ganz“ („eher“ 23 %). Diese Werte sind im Vergleich zu den vergangenen Studien relativ konstant. Die jungen Leute scheinen ihre Zukunft im Alter pragmatisch und illusionslos zu betrachten. 54 Prozent meinen „voll und ganz“ und weitere 33 Prozent „eher“, dass sie noch weit über das 65. Lebensjahr hinaus arbeiten müssen.
Die betriebliche Altersversorgung wird beliebter. Zusätzliche Altersvorsorge hat sich bei der jungen Generation nicht etabliert.
Der Anteil der Vorsorgesparer, die sich für die betriebliche Altersversorgung entschieden haben, ist von 31 Prozent (2010) auf 40 Prozent (2016) gestiegen. Dagegen nutzen weniger junge Leute Riester-Produkte oder private Renten- bzw. Lebensversicherungen. So sank allein der Anteil der Altersvorsorgesparer, die „riestern“, von 50 Prozent im Jahr 2010 auf 42 Prozent 2016.
Die betriebliche Altersversorgung ist inzwischen deutlich bekannter als die RiesterRente: 39 Prozent könnten die bAV einem Freund erklären. Aber nur 27 Prozent trauen sich aktuell zu, die Riester-Förderung zu beschreiben. Das ist ein historisches Tief. Alarmierend ist der Umkehrschluss: 61 Prozent der Jugendlichen wissen nichts mit dem Begriff bAV anzufangen und sogar 73 Prozent wissen nicht, was die Riester-Förderung ist.
Die bAV wird zwar unter jungen Leuten langsam beliebter. Dennoch hat sich die zusätzliche Altersversorgung in der Generation Y nicht hinreichend durchsetzen können. „Zu wenige Teilnehmer, zu wenig Geld und bald zu spät“, auf diese Formel bringt Heribert Karch die Situation. Alle Länder aber, die als erfolgreich bei der Altersversorgung gelten, wie etwa Dänemark oder die Niederlande, hätten einen Kern aus zwei Säulen: Staat und Betrieb. Deshalb müsse man auch in Deutschland endlich die Bedingungen für die betriebliche Altersversorgung verbessern.
Automatischen Sparregelungen gewünscht
65 Prozent stimmen automatischen Sparregelungen zu. Wenn so eine Sparregel mit einer Ausstiegsmöglichkeit (Opt-out) und einer Bezuschussung kombiniert wird, steigt die Zustimmungsrate sogar auf 89 Prozent.
Traxler schätzt ein: „Die beinahe einhellige Zustimmung zu einer Default-Sparregel war sehr überraschend. Es scheint so, als wünschen sich Jugendliche einen Automatismus, der ihnen eigenständige Entscheidungen zumindest teilweise abnimmt“.
Aktuell möchten 91 Prozent der jungen Leute sofort ab Eintritt in das Berufsleben auch jährliche Informationen über ihre Rentenansprüche. Sie betonen aber zu 81 Prozent, dass diese verständlicher sein müssten. Nur zehn Prozent verfügen ihrer Meinung nach über zu viel und nicht über zu wenig Informationen.
Die Politik muss jetzt die Weichen stellen
Die Politik muss jetzt die Weichen stellen, um die junge Generation vor Altersarmut zu schützen. Heribert Karch mahnt: „Wir befinden uns bereits in der Mitte des 30-jährigen Reformprozesses. Es ist an der Zeit, in einem Halbzeit-Gipfel mit allen Akteuren weitere Maßnahmen zu besprechen. Wenn man die betriebliche Altersversorgung wirklich stärken will, muss man vor allem Hindernisse beiseite räumen und bessere Rahmenbedingungen für die bAV schaffen. Dazu gehören die Vereinfachung der Förderung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Lösung gravierender Gerechtigkeitsprobleme“. Unter diesen Voraussetzungen könnten dann auch Modelle, die auf Sozialpartner setzen, erfolgversprechend sein, so
Karch.
Das Fazit von Prof. Dr. Hurrelmann: „So wie heute kann es nicht weitergehen. Denn selbst, wenn jemand vorbildlich in alle drei Säulen der Altersvorsorge einzahlt, kann er am Ende nicht mit einem zufriedenstellenden Ergebnis rechnen. Das System führt die jungen Leute an der Nase herum. Die Politik muss jetzt handeln. Denn sonst ist es für die junge Generation zu spät. Dann ist sie objektiv von Altersarmut bedroht. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern einfach eine Tatsache“.